Stadtteilarchiv Ottensen Altona

Robert Koch, Bakteriologe und Entdecker des Cholera-Erregers

Am 11. Dezember 1843 wurde Robert Koch in einer Bergarbeiterfamilie als drittes von 13 Kindern in Clausthal im Harz geboren. Als Vierjähriger brachte er sich selbst Lesen und Schreiben bei, erhielt dann Unterricht und machte später das Abitur.
Er wuchs in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen in Europa auf; die industrielle Revolution ließ Generationen von Landarbeitern in die Städte abwandern, wo Armut, Elend und Überbevölkerung herrschten und sich Infektionskrankheiten ungehindert ausbreiteten. Die Medizin war machtlos im Kampf gegen Cholera, Typhus und vor allem Tuberkulose.

Auch in der Industriestadt Ottensen grassierte die Tuberkulose, insbesondere in den armen Familien der Zigarrendreher und Glasbläser, die auf Grund der Arbeitsbedingungen und der Mangelernährung anfällig waren für Atemwegserkrankungen. Das Arbeiterquartier in Ottensen wurde „Mottenburg“ genannt – hier kriegte man die „Motten“, die Krankheit, die Löcher in die Lunge fraß.

Nach seinem Medizinstudium und Lazarettdienst während des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) ließ sich Robert Koch mit seiner Frau Emma, geb. Fraatz, und der Tochter Gertrud in Wollstein in der Provinz Posen nieder. Hier arbeitete er von 1872 bis 1880 als Amtsarzt, führte eine Privatpraxis und begann mit seinen bakteriologischen Forschungen.

Robert Koch
Robert Koch, Foto: Stadtteilarchiv Ottensen

1876 gelang es ihm, den Erreger des Milzbrands, einer weitverbreiteten Tierseuche, außerhalb des Organismus zu kultivieren und seinen Lebenszyklus zu beschreiben. Dadurch wurde zum ersten Mal lückenlos die Rolle eines Krankheitserregers beim Entstehen einer Krankheit beschrieben. Seine bahnbrechenden Erkenntnisse über Milzbrand und über Wundinfektionen brachten ihm eine Berufung an das Kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin ein, dessen Leiter er später wurde.
1883 führten ihn Choleraexpeditionen nach Ägypten und Indien. Ein Jahr später konnte er den Cholera-Erreger isolieren und nachweisen, dass er im menschlichen Darm lebt und sich hauptsächlich über verschmutztes Wasser verbreitet.

1885 erhielt Koch eine Professur für Hygiene an der Berliner Universität, 1891 wurde er Direktor des neu gegründeten Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin.

Drei Jahre nach seiner Scheidung im Jahr 1890 heiratete Koch in zweiter Ehe die wesentlich jüngere Hedwig Freiberg, die ihn auf seinen Auslandsreisen begleitete. Als infolge der Kolonisierung des Kontinents die Bekämpfung von Tropenkrankheiten wie Malaria in den Mittelpunkt rückte, leitete Robert Koch Forschungsprojekte in Afrika.

1905 erhielt Robert Koch den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung des Tuberkulose-Erregers. Ein von ihm entwickeltes Heilmittel gegen die Krankheit erwies sich allerdings als uneffektiv.

Am 27. Mai 1910 starb Robert Koch. Die von ihm entwickelten Untersuchungsmethoden verändern die medizinische Forschung auf dem Gebiet der Bakteriologie grundlegend und ermöglichen es Forschern (die meisten davon Kochs Schüler), innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl von Erregern gefährlicher Krankheiten zu entdecken, darunter Diphtherie, Typhus, Lepra, Pest und Syphilis.

Robert Koch in Hamburg: „Ich vergesse, dass ich in Europa bin.“

Die Choleraepidemie in Hamburg im Sommer 1892 war der letzte große Ausbruch der Cholera in Deutschland. Wahrscheinlich wurde sie durch russische Auswanderer eingeschleppt, die die Hafenstadt auf dem Weg nach Amerika passierten und in den Auswanderungshallen an der Elbe Station machten. Der Hamburger Senat verzögerte aus wirtschaftlichen Erwägungen die Bekanntgabe der Seuche. Der preußische Gesundheitsminister schickte Robert Koch nach Hamburg. Koch inspizierte das Gängeviertel und urteilte, entsetzt angesichts des dort herrschenden Elends und der unhygienischen Verhältnisse: „Ich vergesse, dass ich in Europa bin!“

Da die Hamburger Wasserversorgung über keine Sandfiltration verfügte, wurde das choleraverseuchtes Elbwasser direkt in die Haushalte gepumpt. Dank Kochs Erkenntnissen war es erstmals möglich, die Ausbreitung der Cholera zu verhindern – und das mit verhältnismäßig einfachen Mitteln: Durch Abkochen bzw. durch Filtern des Trinkwassers ließ sich der Erreger abtöten bzw. zurückhalten und die Zahl der Neuerkrankungen drastisch verringern.

Desinfektionskolonne
Desinfektionskolonne, Hamburg 1892, Foto: Staatsarchiv Hamburg

Koch setzte gegen den Widerstand der Hamburger Mediziner Seuchenbekämpfungsmaßnahmen durch, die von einem Bakterium als Ursache ausgingen. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Trinkwasser abzukochen, Desinfektionskolonnen reinigten Wohnungen, in denen Erkrankte gelebt hatten. Die Sozialdemokraten verteilten Flugblätter mit Verhaltensratschlägen an alle Haushalte. Als die Epidemie nach sechs Wochen auslief, waren fast 9000 Menschen gestorben.

„Der Blaue Tod“ in Altona

Das damals preußische Altona blieb relativ verschont, denn Altonas eigene Wasserversorgung war mit einer Filteranlage ausgestattet. Doch auch hier starben 328 Menschen, die sich zumeist in der benachbarten Hansestadt angesteckt hatten. Dr. Hugo Simon, Arzt, über den ersten entdeckten Cholerafall in Altona (Staatsarchiv Hamburg):

„In der Nacht vom 14ten zum 15ten August d. J. [1892] wurde zu mir geschickt, weil der Arbeiter Sahling, wohnhaft in Altona, Friedenstraße 28, Keller, beim Schuhmacher Mohr, an Cholera erkrankt sei. Ich sah den Kranken, der am vorhergehenden Tag auf dem Kleinen Grasbrook gearbeitet hatte und der am Abend noch völlig gesund gewesen war, erst um 7 ¾ Uhr morgens … Der Kranke lag kalt mit eingesunkenen Augen, spitzer Nase und blauer Haut, deren aufgehobene Falten stehen blieben, da und rief mit heiserer Stimme, er fühle, dass er sterben würde ... Eine Viertelstunde nach meinem Weggange, um 8 Uhr, war der Kranke verschieden.“

Der blaue Tod
Der Blaue Tod“, zeitgenössische Zeichnung, Bild: Stadtteilarchiv Ottensen

Auch in wissenschaftlichen Kreisen war zu der Zeit die Auffassung weitverbreitet, die Cholera komme von der Verpestung der Luft „durch Ausdünstungen eines siechen Bodens“. Max von Pettenkofer, Professor für medizinische Chemie in München und prominenter Vertreter dieser „Miasma-Theorie“, bat Robert Koch um eine Probe der Cholera-Erreger, die er schluckte. Er kam mit einem Durchfall davon, während einer seiner Assistenten fast starb.

Robert Koch im Ottensener Elendsviertel „Langer Jammer“

Während der winterlichen Nachepidemie gab es im „Langen Jammer“ in Ottensen zunächst unerklärliche Cholera-Fälle. Da in den Nachbarhäusern, die an die Altonaer Wasserversorgung angeschlossen waren, kein Cholera-Fall auftrat, fiel der Verdacht auf den Brunnen im Hof des „Langen Jammers“. Am 30. Januar 1893 reiste Robert Koch als Gesandter des Kaiserlichen Gesundheitsamtes aus Berlin zur Untersuchung der Seuchenursache an. Koch vermutete, dass „Choleradejektionen oder Spülwasser von Cholerawäsche auf dem Hof 45 in der Nähe des Brunnens ausgegossen … und in den Brunnen gekommen waren.“

Papenstraße 45-51
Die Häuser Papenstraße 45-51 (heute Ottenser Hauptstr.) kurz vor dem Abriss 1899. Am Eingang zu den Wohnhöfen des „Langen Jammers“ ist der Rest der Pumpe des choleraverseuchten Brunnens zu sehen. Foto: Stiftung Historische Museen Hamburg – Altonaer Museum

Er folgerte:

„Die Bewohner des ‚Langen Jammer‘ gehören eben nicht zu der Bevölkerungsklasse, die schon wegen eines Durchfalls ärztliche Hilfe aufsucht und es ist deswegen die Annahme, dass ein leichter Cholerafall unter diesen Leuten unbemerkt verlaufen ist, wohl gerechtfertigt."

So könnte die Epidemie in dem Elendsquartier ausgelöst worden sein. Koch stellte fest,

„dass sich die Ausbreitung der Cholera mit dem Gebiet einer Wasserversorgung haarscharf deckte.“

Immer noch musste Koch die wissenschaftliche Fachwelt von der Übertragbarkeit der Cholera durch Trinkwasser überzeugen. Wasserproben des Brunnens wurden im Berliner Institut für Infektionskrankheiten unter die Lupe genommen. Tatsächlich konnten Cholerabazillen nachgewiesen werden. Der Brunnen wurde geschlossen, die preußischen Behörden ließen den „Seuchenherd“ zwangsräumen und die Wohnungen desinfizieren.