„Von Nägeln mit Köpfen“
Umnutzung der Drahtstiftefabrik Feldtmann und Erhalt der Vorderhäuser
Foto: Stadtteilarchiv Ottensen
1986 begann der denkmalgerechte Um- und Neubau der stillgelegten Drahtstifte-Fabrik.
Das Stadtteilarchiv Ottensen stieg mit Hilfe von durch das Arbeitsamt geförderten ungelernten Jugendlichen und schwer vermittelbaren Handwerkern, einem Schlosser und einem Schmied und viel ehrenamtlichem Engagement in den Prozess der Umnutzung ein.
Brigitte Abramowski, Geschäftsführerin, erinnerte sich:
„Chaotisch, dilettantisch, aber mit Begeisterung.“
Leere Fabrikhalle 1987, Foto: Stadtteilarchiv Ottensen
Die Maschinen der Schlosserei wurden wieder gangbar gemacht, die alten Nagelmaschinen und der Drahtzug restauriert.
„Mit der Drahtziehanlage fingen wir an. Wir vervollständigten erst mal die Anlage mit Teilen, die wir im Betriebsraum und im Lager fanden und fertigten eine photographische Dokumentation an. Zu zweit hatten wir nun einige Tage damit zu tun, die Anlage von Rost, verharzten Fetten und Ölen, Kalk und Mörtelresten zu befreien. Die Staubentwicklung war zeitweise so groß, dass wir kaum noch was erkennen konnten. Nachdem wir circa 40 Kilo losen Staub aus den unteren Bereichen des Drahtzugs entfernt hatten, wurde die gesamte Anlage gegen ein weiteres Rosten geschützt. Es folgte die Überarbeitung des Antriebs. Der Motorträger musste vollkommen neu gebaut werden. Auch die elektrische Anlage wurde erneuert und erweitert. Durch zusätzliche Magnet- und Not-Aus-Schalter entspricht sie jetzt den Arbeitsschutzbestimmungen.“
Denkmalschutz
Der gesamte Komplex – Vorderhäuser, Hof und Hinterhäuser – wurde 1989 in die Denkmal-Liste eingetragen. Zum zehnjährigen Bestehen des Stadtteilarchiv im September 1990 konnten die restaurierte Schlosserei und die in Gang gesetzten Maschinen und Drahtzüge zusammen mit einer ständigen Ausstellung über die Drahtstiftefabrik und das umliegende Osterkirchenviertel zugänglich gemacht werden.
„Durch die Neunutzung der Ottensene Drahtstifte-Fabrik durch das Stadtteilarchiv Ottensen und INCI ist es nicht nur möglich, ein Bau-, Industrie- und Technikdenkmal wenigstens teilweise zu erhalten, sondern auch seine Bedeutung für diesen Stadtteil Hamburgs für jedermann zu erschließen. Insofern vermag das Denkmal Drahtstifte-Fabrik trotz Umnutzung und Umbauten auf ganz andere Art weiterzuleben und der Geschichte seines Stadtteils weiter verbunden zu bleiben, als dies viele andere denkmalgeschützte Bauten können.“
Frank Hesse, Denkmalschutzamt Hamburg, 1989
Heute wird das Stadtteilarchiv - wenn auch zu knapp – vom Bezirksamt Altona finanziell gefördert, die Mittel kommen von der Kulturbehörde.
„Grabe, wo du stehst.“
Die Geschichtswerkstätten zählten zu den neuen sozialen Bewegungen, die Ende der 1970er Jahre in der BRD entstanden. Mit einer anderen, einer subjektiven Perspektive und der Verankerung im sozialen und politischen Alltag des Viertels oder der Region entwickelten sie das, was mittlerweile als „Geschichte von unten“ charakterisiert wird. Dem damals sprichwörtlichen Elfenbeinturm des traditionellen akademischen Betriebs setzten sie eine andere Praxis entgegen: Sie arbeiteten in aller Öffentlichkeit, beteiligten sich an aktuellen sozialen und politischen Auseinandersetzungen und sind Teil einer politischen Stadtteilkultur.
Das 2015 zugebaute Wandbild von Michael Sandmann, an der Giebelwand Zeißstraße 34, Foto: Stadtteilarchiv Ottensen
Stadtteilarchiv Ottensen
1980 wurde das Stadtteilarchiv Ottensen gegründet. Die umgebaute Drahtstiftefabrik wurde zum neuen Domizil. Die Geschichtswerkstatt verstand sich als „Archiv in Bewegung“, sie ist immer noch ein Ort der „Gegenöffentlichkeit“ und ein Archiv mit „niedriger Hemmschwelle“, wo sowohl Stadtteilbewohner und Bewohnerinnen, Schüler und Schülerinnen als auch wissenschaftlich Recherchierende bei ihren Recherchen unterstützt werden. Forschungen über die Stadt(teil)Geschichte und die aktuellen Probleme Altonas werden in Rundgängen, Publikationen, Ausstellungen und Veranstaltungen vorgestellt.
Eröffnung des Maschinenraums, 1990, Foto: Stadtteilarchiv Ottensen
INCI
Die 1981 gegründete INCI – Internationale Cultur und Information für Frauen e.V., auf Türkisch „Perle“ – versteht sich als multikultureller Treffpunkt von Frauen. In der Anfangszeit bot das Hamburg weit einzigartige Projekt Sprach- und Alphabetisierungskurse für Frauen, Beratung und Information, Näh-, Schwimm- und andere Kurse sowie Ausbildungsbegleitung an. Etwa 300 Frauen kamen pro Woche und nutzten die Angebote, auch die Kinderbetreuung im zweiten Fabrikhof.
Zeißstraße
Erneuerung des Straßenbelags mit abgeschliffenen Pflastersteinen, Juli 2009, Foto: Stadtteilarchiv Ottensen
Die Zeißstraße gehört heute zu den wenigen denkmalgeschützten Straßen in Hamburg. Die Vorderhäuser aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, gebaut in der Zeit der frühen Industrialisierung, als Arbeiterfamilien aus Schleswig-Holstein nach Ottensen mit seinen neu entstandenen Tabakfabriken, Fischräuchereien, Glashütten und Eisengießereien zogen, sind Zeugnisse des frühen Arbeiterwohnens. Die sogenannten Sahlhäusermit den drei Eingangstüren, von denen die mittlere über eine schmale Stiege zu den beiden Wohnungen im ersten Stock (dänisch „Sahl“) führt, zeugen von dänischem Baustil, denn bis 1864 standen Ottensen und Altona unter der Verwaltung des Königreichs Dänemark.